Saubere vertragliche Regelungen vermeiden später Streit

Was der individuelle Arbeitsvertrag im ambulanten Bereich enthalten sollte und welche Fallstricke bestehen

Online, 23. Dezember 2021 (jz). Warum wechseln Ärztinnen und Ärzte vom Krankenhaus in die Anstellung im ambulanten Bereich? Die Motivation ist unterschiedlich. Beim Webinar „Anstellung im ambulanten Bereich mit Tipps und Tricks von Ärztinnen und Ärzten, Juristinnen und Juristen des Marburger Bundes“ führte RAin Elke Scheels, Verbandsjuristin beim MB Bayern, einige Gründe auf:

  • Die Anstellung bietet Sicherheit, da kein unternehmerisches Risiko besteht.
  • Familie/Privatleben und Beruf lassen sich besser vereinbaren, da keine Bereitschaftsdienste oder Rufbereitschaften anfallen, sondern „nur“ Notdienste.
  • Die Anstellung wird als „Testphase“ als Vorbereitung auf eine mögliche Niederlassung gesehen.
  • Teilzeittätigkeiten sind häufig besser realisierbar.
  • Mitunter spielt die größere Patientenbindung verglichen mit der Tätigkeit im Krankenhaus eine Rolle, da in der ambulanten Anstellung die „Begleitung über einen längeren Zeitraum“ erfolgt.

Aber vor der Aufnahme einer Tätigkeit im ambulanten Bereich steht angesichts eines fehlenden Flächentarifvertrags für angestellte Ärztinnen und Ärzte im ambulanten Bereich der individuelle Arbeitsvertrag. Im Gegensatz zum Anstellungsvertrag im Krankenhaus ist der individuelle Arbeitsvertrag ein umfassendes Vertragswerk, verdeutlichte Scheels, die beim MB-Webinar gemeinsam mit RA Andreas Höffken, Ko-Geschäftsführer des MB Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz, das Thema Arbeitsrecht beleuchtete. Und während es im Teil 3 der Serie zum MB-Webinar unter anderem um einen allgemeinen Überblick zum Arbeitsvertrag ging, den Höffken vermittelte, ging Scheels auf mögliche Fallstricke ein.

Ihrer Erfahrung nach – der MB Bayern legt seit etwa vier Jahren einen Schwerpunkt auf die Vertragsberatung im ambulanten Bereich – werden häufig schlechtere Konditionen angeboten, als die Tarifstandards des MB enthalten. Zwar sei die Anlehnung an arztspezifische Tarifverträge wie den mit den kommunalen Arbeitgebern (TV-Ärzte/VKA) möglich, werde aber selten verhandelt. „Es ist meist Wald und Wiese“, warnte die Expertin und empfahl, den Arbeitsvertrag für eine Tätigkeit in ambulanter Anstellung vor einer Unterschrift prüfen zu lassen – am besten durch MB-Juristen. „Der Teufel steckt häufig im Detail“, sagte Scheels und unterstrich mehrfach, „alle wichtigen Arbeitsvertragsbestandteile“ zu verhandeln. Was nicht vereinbart wurde, da¬rauf bestehe auch kein Anspruch.

Sie benannte die Konditionen, die geregelt sein sollten, wie

  • den Arbeitsbeginn, der oft an die Genehmigung des Zulassungsausschusses der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) für die Anstellung im vertragsärztlichen Bereich gekoppelt ist – das heißt, sollte die Genehmigung nicht erfolgen, verschiebt sich trotz fix vereinbartem Datum der Arbeitsbeginn oder sie hat gar auflösende Wirkung,
  • das Tätigkeitsprofil,
  • den konkreten Arbeitsort (falls es mehrere Arbeitsstätten gibt), denn der Arbeitgeber hat ein Direktionsrecht,
  • die Arbeitszeit (Bedingungen der Teilzeit sollten zwingend schriftlich niedergelegt werden),
  • der Urlaubsanspruch: Die MB-Tarifverträge sehen 30 Arbeitstage pro Kalenderjahr vor,
  • die Entgeltfortzahlung,
  • Zuschüsse zum Krankengeld,
  • Fortbildungstage: Fünf bis zehn Arbeitstage bezahlte Freistellung und eventuell eine Kostenübernahme sollten vereinbart werden,
  • die Mehrarbeits- und Überstundenvergütung sowie Zuschläge,
  • die Altersvorsorge,
  • der Versicherungsschutz,
  • die Kündigungsfristen und
  • eventuell variable Vergütungsbestandteile.

Mit Blick auf das Thema Kündigung verwies die MB-Juristin auf das Kündigungsschutzgesetz. Es findet lediglich in Betrieben mit mehr als zehn Arbeitnehmern Anwendung. Und zum Versicherungsschutz betonte sie: „Unterschreiben Sie keinen Vertrag, in dem Sie ihre Berufshaftpflicht selbst tragen müssen.“ Es sei üblich, dass der Arbeitgeber diese zahle, erklärte sie und lieferte gleich eine Formulierungshilfe (siehe unten). Ihr Tipp: „Alles, was im Vertrag sauber geregelt ist, vermeidet später Streit!“

Nachdrücklich mahnte sie zur Obacht bei der Verknüpfung von Arbeitsrecht, Sozialrecht und KV-Recht. Wenn im Arbeitsvertrag vereinbart wurde, dass die/der Angestellte alle sozialrechtlichen und somit alle kassenarztrechtlichen Vorschriften einzuhalten hat, könnte es haftungsrechtlich pro¬blematisch werden. „Informieren Sie sich beim Arbeitgeber und der KV. Fragen Sie nach Schulungen“, regte sie an. Und: „Seien Sie vorsichtig.“

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ziegler@marburger-bund.de

Versicherungsschutz: Formulierungsvorschlag

Der Arbeitgeber schließt für die von diesem Vertrag umfassenden Tätigkeiten des Arztes einschließlich des kassenärztlichen Notfalldienstes eine ausreichende Haftpflichtversicherung gegen Schadensersatzansprüche Dritter ab und stellt den Arzt von etwaigen Regressansprüchen frei. Zudem wird der Arzt auch im Innenverhältnis von der Haftung gegenüber dem Arbeitgeber befreit, insbesondere im Hinblick auf Schadensersatzansprüche wegen Honorarrückforderungen und/oder Regressansprüchen der kassenärztlichen Vereinigung, der Prüfgremien und der Krankenkassen; es sei denn, es liegt vorsätzliches Handeln des Arztes vor.

Der Arzt ist jederzeit berechtigt, in den Versicherungsschein und die Versicherungsbedingungen Einsicht zu nehmen. Der Arbeitgeber informiert ihn unaufgefordert über Änderungen in den Versicherungsvertragsbedingungen.