Fakten und Hintergründe im Überblick
Zahl der angestellten Ärzte nimmt rasant zu / Zwangsanteile in Studium und Weiterbildung indiskutabel
Von Stefanie Gehrlein
Befördert durch die Diskussionen auf dem Deutschen Ärztetag 2013 um die Finanzierung der ambulanten Weiterbildung ist ein Thema in den Fokus gerückt, das immer mehr an Bedeutung gewinnt: angestellte Ärzte in der ambulanten Versorgung. Ein paar Fakten kurz zusammengefasst: Angestellt arbeiten können Ärzte außerhalb der stationären Versorgung in MVZ und Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V, Einzelpraxen sowie (überörtlichen) Berufsausübungsgemeinschaften. Nach den Statistiken der Bundesärztekammer (BÄK) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sind mittlerweile rund 21.000 Ärzte als angestellte Ärzte im ambulanten Sektor tätig. Addiert man die rund 10.000 Fachärzte in MVZ zu den 9.000 in Praxis und BAG, so verbleibt eine Zahl von ca. 2.000 Ärzten in der Weiterbildung. Gesondert erfasst werden diese in der ärztlichen Statistik nicht – sie tauchen nur gemeinsam mit den anderen Ärzten auf, die (noch) keine Gebietsbezeichnung führen.
Risiken der Selbstständigkeit
Seit vielen Jahren ist eine stetige Zunahme der Zahl angestellter Ärzte und insbesondere derer, die im ambulanten Sektor arbeiten, zu verzeichnen. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Eine abnehmende Bereitschaft, die wirtschaftlichen Risiken der Selbstständigkeit einzugehen, und das Bedürfnis, durch flexible, planbare Arbeitszeiten Beruf und private Interessen besser in Einklang zu bringen, dürften die Hauptmotivation sein. Just zu Weihnachten erschien ein Artikel in der Ärzte Zeitung online speziell zu der Berliner Situation, der sicher auch die bundesweiten Verhältnisse widerspiegelt: Danach ist nicht nur eine „explosionsartige“ Zunahme der Zahl angestellter Ärzte, verbunden mit einer Abnahme der Zahl Niedergelassener zu verzeichnen, sondern auch der Trend zu einer Splittung der Arbeitsverhältnisse über Sektorengrenzen hinweg. Seit der Liberalisierung durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz Anfang 2007 sind viele Konstellationen lebbar, die es vorher nicht waren. Ärzte arbeiten in Teilzeit an verschiedenen Orten, stationär und ambulant, selbstständig und angestellt. Einen Trend zur Kooperation gebe es – zumindest in Berlin – vorrangig im hausärztlichen Bereich. Dieser wird sich wohl noch verstärken, wenn die Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag wahr werden, nach denen künftig auch arztgruppengleiche Zentren, also reine Hausarzt-MVZ, zugelassen sein sollen. Alle angestellten Ärzte in der ambulanten Versorgung sind ebenso wie die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen ermächtigten Ärzte und die Niedergelassenen selbst nach § 77 Abs. 3 SGB V Mitglied der regional zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Sie können und sollten sich also in die Vertreterversammlung, das „Parlament“ der KV, wählen lassen und von dort Einfluss auf die vertragsärztliche Versorgung wie auch auf die Wahl des Vorstandes und der Fachausschüsse nehmen. Die Regierung hat an dieser Stelle den Trend zum Angestelltendasein im Teil „Ambulante Versorgung“ des Koalitionsvertrages zumindest insofern aufgenommen, als in den KVen für die Angestellten verpflichtend ein beratender Fachausschuss vorgesehen werden soll. In der KBV gibt es den beratenden „Fachausschuss angestellte Ärzte“ bereits in § 18a der Satzung. Auf rechtlicher Ebene im Verhältnis zu seinem Arbeitgeber befindet sich der angestellte, aber ambulant tätige Facharzt in einer besonderen Situation. Wie auch der Arzt im Krankenhaus schließt er einen Arbeitsvertrag, nach dem sich seine Arbeitsbedingungen richten. Der erste grundlegende Unterschied zur stationären Tätigkeit zeigt sich bereits in der Vergütung – im ambulanten Bereich gelten die MB-Tarifverträge bekanntlich nicht unmittelbar, sondern bestenfalls als Richtschnur. So bleibt es dem Verhandlungsgeschick des Einzelnen überlassen, ein für ihn zufriedenstellendes Gehalt zu vereinbaren. Die Ergebnisse variieren zudem stark nach Fachgebiet und Planungsbereich. Solange es keine Tarifverhandlungen in diesem Sektor gibt, helfen hier bei den Einstellungsgesprächen die Musterverträge des MB weiter, in denen das vergleichbare Tarifgehalt als Mindestuntergrenze angesetzt wird. Auch bei den übrigen zu vereinbarenden Arbeitsbedingungen kann man sich an den Muster-und Tarifverträgen des MB orientieren.
Vorschriften treffen aufeinander
Eine weitere Besonderheit im Bereich der Anstellung im ambulanten Sektor ist das Aufeinandertreffen von arbeits- und vertragsarztrechtlichen Vorschriften, die beide für den Arzt einschlägig, oft aber nicht kompatibel sind. Der Gesetzgeber hat bis dato noch nicht für eine Anpassung von Arbeits- und Zulassungsrecht gesorgt. Es knirscht insbesondere bei den divergierenden Regelungen zu Freistellung, Vertretung und Kündigung des angestellten Arztes. Beispielsweise passt der arbeitsrechtliche Anspruch auf drei Jahre Elternzeit nicht zu der Vertretungsmöglichkeit nach § 32 Abs. 1 Ärzte-Zulassungsverordnung von einem Jahr, wenn die Ärztin Mutter wird. Für die Elternzeit von Vätern ist in der Ärzte-ZV überhaupt nichts geregelt. Auch im Fall der Freistellung des angestellten Arztes, gleich aus welchem Grund, sieht das Zulassungsrecht keine Überbrückungsmöglichkeit für den Arbeitgeber vor. Der Koalitionsvertrag stellt zwar eine systematische Aufarbeitung und bessere Verzahnung der einzelnen Sozialgesetzbücher in Aussicht, enthält jedoch keine Aussagen zu der Schnittstellenproblematik SGB V und BGB. Da einzelne Kassenärztliche Vereinigungen versuchen, durch regionale Regelungen Abhilfe zu schaffen, lohnt eine Nachfrage. Die Abrechenbarkeit der vom angestellten Arzt erbrachten Leistungen betrifft diesen als Arbeitnehmer mit festem Entgeltanspruch nur mittelbar, sofern er keine an die Erlössituation der Einrichtung oder andere wirtschaftliche Kriterien anknüpfenden variablen Gehaltsbestandteile vereinbart hat. Das System der Honorierung vertragsärztlicher Leistungen ist sehr komplex und spielt sich im Dreiecksverhältnis Leistungserbringer – KV – GKV in einem Regelungsdickicht untergesetzlicher Normen ab. Auch wenn der angestellte Arzt hiervon in seinem Arbeitsverhältnis nicht direkt tangiert ist, schadet eine Grundkenntnis dieser Systematik und ihrer Tücken nicht.
Eine Sondersituation stellt die Beschäftigung von Ärzten in der Weiterbildung im ambulanten Bereich dar. Oft wird irrtümlich angenommen, dass hier dem Arbeitgeber wie beim Jobsharing (Beschäftigung eines Angestellten im wegen Überversorgung gesperrten Planungsbereich) für die Leistungen des Weiterzubildenden gem. § 42 Bedarfsplanungsrichtlinie maximal ein Honorarzuschlag in Höhe von 3 Prozent gewährt werde. Tatsächlich wird jedoch der Abrechnung der Maßstab des § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV zugrunde gelegt: „Die Beschäftigung eines Assistenten darf nicht der Vergrößerung der Kassenpraxis oder der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs dienen.“ Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes soll diese Qualitätssicherungsvorschrift verhindern, dass die Beschäftigung von „Weiterbildungsassistenten“ zu einem „Praxiszuwachs“ von mehr als 25 Prozent führt. Sinn und Zweck der Beschäftigung eines Arztes in der Weiterbildung sei nämlich die Erfahrungs- und Kenntnisvermittlung, um „auch in Zukunft eine möglichst hohe Versorgungsqualität zu gewährleisten“ und nicht die Vergrößerung des Umfangs der Einrichtung. Diese Rechtsprechung ist insbesondere vor dem Hintergrund, dass im vertragsärztlichen Bereich (noch) Facharztstatus und nicht Facharztstandard gilt, konsequent. Einer Meinung sind KBV und MB hinsichtlich der Höhe des Gehaltes eines Arztes in der Weiterbildung im ambulanten Bereich: Es darf keinen Bruch zwischen stationären und ambulanten Abschnitten geben, und es müssen die MB-Tarifstrukturen gelten. Nach Auffassung des scheidenden Vorstandsvorsitzenden der KBV, Dr. Andreas Köhler, sollen die Kosten dafür aus dem Gesundheitsfonds über einen Aufschlag auf den Orientierungswert finanziert werden.
Rückhalt eines Tarifvertrages
Bis zu einer möglichen gesetzlichen Finanzierungsregelung muss finanzielle Unterstützungsarbeit zur Überbrückung geleistet werden. Auch der Weiterzubildende in der ambulanten Versorgung verhandelt wie der Facharzt sein Gehalt mit dem Arbeitgeber ohne den Rückhalt eines Tarifvertrages. Damit dieses nicht zu gering ausfällt, gibt es neben dem bekannten Förderprogramm Weiterbildung Allgemeinmedizin mittlerweile zusätzliche Modelle. So unterstützt beispielsweise die KV Niedersachsen die ambulante Weiterbildung auch in Facharztgebieten. Es steht zu erwarten, dass andere Kassenärztliche Vereinigungen nachziehen werden. Aus Sicht des MB sind derartige Anreize mit dem Ziel der Stärkung der ambulanten Medizin und zur Erfüllung des Sicherstellungsauftrages einer Etablierung von Pflichtabschnitten in Aus- und Weiterbildung als Zwangsmaßnahmen in jedem Fall vorzuziehen.
Zur Autorin
Stefanie Gehrlein ist Justiziarin im MB-Bundesverband.