Angestellte Ärzte müssen in die KVen
40.000 Mediziner in ambulanter Anstellung / Zunehmende Bedeutung der Versorgungseinrichtungen
Von Stefanie Gehrlein
Einmal im Jahr treffen sich in Berlin die „Macher“ aus den Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), um von ihrem Bundesverband ein Update über aktuelle Themen wie neue rechtliche und politische Entwicklungen, Personalgewinnung und -führung und Praxisfragen zu erhalten – und natürlich, um sich austauschen zu können.
Die Resonanz ist groß und die hohe Teilnehmerzahl spiegelt die immer stärker zunehmende Bedeutung dieser kooperativen Form von Versorgungseinrichtungen wider. MVZ sind zwar in die Kritik geraten, weil mancherorts die Gefahr einer Kommerzialisierung durch „medizinferne Kapitalinvestoren“ gesehen und es bezweifelt wird, dass angestellte Ärzte genauso effektiv Patienten versorgen wie ihre niedergelassenen Kollegen. Dennoch werden auch die Kritiker nicht bestreiten können, dass MVZ aus der Versorgungslandschaft nicht mehr wegzudenken sind und attraktive Arbeitsbedingungen insbesondere für junge Ärztinnen und Ärzte bieten können.
Der Eröffnungsvortrag des Bundesvorsitzenden Dr. Peter Velling begann dann auch mit einem Update über die Entwicklung der Zahl in ambulanter Anstellung tätiger Mediziner, die bundesweit bei mittlerweile etwa 40.000 Ärztinnen und Ärzten liegt, Tendenz steigend. Davon arbeitet weit mehr als ein Drittel an MVZ. Der Anteil Angestellter und insbesondere von Ärztinnen nimmt seit Jahren immer mehr zu. Dieser Trend zieht sich zwar durch alle Fachgruppen, es gibt jedoch nach wie vor „typische Frauenfächer“ wie die Gynäkologie oder Pädiatrie.
Die Zahl der MVZ-Gründungen nimmt ebenfalls weiterhin zu, dabei haben Krankenhäuser als Gründer die Vertragsärzte inzwischen überholt. Nach wie vor die höchste absolute Zahl an MVZ verzeichnet Bayern, gefolgt von Nordrhein und Niedersachsen.
Velling berichtete kurz über positive Auswirkungen des Terminservice- und Versorgungsgesetzes für MVZ, beispielsweise die Aufnahme zertifizierter Arztnetze in den Kreis der zulässigen Träger, aber auch über die immer noch offenen Probleme der vielfältigen Diskriminierung in Abrechnungs- und Honorierungsfragen oder bei der Umsetzung der neuen Sprechstundenvorgaben unter besonderer Berücksichtigung der Spezifika von MVZ.
Velling betonte auch, dass es unabdingbar sei, die angestellten Ärztinnen und Ärzte in den MVZ und anderen ambulanten Einrichtungen für die Gremienarbeit in den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) zu interessieren und ihnen diese beispielsweise dadurch zu erleichtern, dass durch die Träger als Arbeitgeber entsprechende Arbeitsfreistellungen gewährt werden. Er wies darauf hin, dass nur 20 Prozent aller selbstständig niedergelassenen Mitglieder in KV-Gremien seien. Würde man dieselbe Prozentzahl bei den Angestellten erreichen, könnten diese ihre Interessen wesentlich wirksamer vertreten.
Sehr wichtig sei für MVZ die Zusammenarbeit mit den Angehörigen der Pflegeberufe. Damit griff Velling ein wichtiges Thema auf, das auch auf der kommenden Hauptversammlung des Marburger Bundes in Berlin diskutiert werden wird: die Kooperation der Gesundheitsberufe. Für MVZ entdeckte er viele positive Aspekte einer Zusammenarbeit wie die Vermeidung von Hospitalisierungen, den fachübergreifenden Austausch zugunsten der Patienten und eine vereinfachte Pflegeheimbetreuung etwa durch Hausarzt-MVZ. Dennoch sei zu beobachten, dass eine Zusammenarbeit mit den Pflegeberufen bisher noch in den Kinderschuhen stecke und auf einige Einzelfälle beschränkt sei. Hier bestehe großer Nachholbedarf und die Notwendigkeit, das Thema in der Gesundheitspolitik prominent zu platzieren.
Last, but not least griff Velling auch das Modethema der aktuellen Gesundheitspolitik auf: die Digitalisierung. Man sehe sich als idealer Partner und Ausgangspunkt für technische Neuerungen. Ein Argument sei die Tatsache, dass aufgrund der Arbeitsteilung im Management von MVZ zwischen Nichtärzten und Medizinern die Ärztinnen und Ärzte von den Umsetzungsdetails entlastet werden könnten – wenn sie dies möchten. Eben wegen dieser Struktur sei man auch aufgeschlossener gegenüber allen Digitalisierungsprozessen als die klassische Einzelpraxis.
All das könne natürlich nur dann verwirklicht werden, wenn sich MVZ nicht mehr mit benachteiligenden Finanzierungsregelungen auseinandersetzen müssten und die Besonderheiten dieser kooperativen Versorgungsform, etwa bei der Novellierung von Abrechnungssystemen wie der Gebührenordnung für Ärzte, dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab oder dem Honorarverteilungsmaßstab entsprechend berücksichtigt würden.
Der Kongress wurde mit einer Vielzahl weiterer spannender Vorträge fortgesetzt. Auch ein Grußwort von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gab es. Ein Auszug: „Die Herausforderung bleibt, die rechtlichen Rahmenbedingungen so im Blick zu haben, dass MVZ auch morgen noch bestmöglich zur Versorgung beitragen und attraktive Arbeitsbedingungen bieten können.“ Zu Letzterem wird auch der Marburger Bund beitragen.
Zur Autorin
Stefanie Gehrlein ist Justiziarin des MB-Bundesverbandes.
redaktion@marburger-bund.de