Positionierung des Marburger Bundes zur Situation gestellter Ärztinnen und Ärzte im ambulanten Bereich
- Ausgangssituation
Seit einigen Jahren ist ein steter Zuwachs der im ambulanten Sektor tätigen angestellten Ärztinnen und Ärzte zu verzeichnen. Ihre Gesamtzahl lag Ende des Jahres 2016 nach der Statistik der Bundesärztekammer bei 32.348 und hat sich seit 1993 fast versechsfacht. Ärztinnen sind mit 62,7% in dieser Gruppe besonders stark vertreten.
Das Bundesarztregister der KBV weist zum selben Zeitpunkt 28.695 angestellte Ärztinnen und Ärzte in der vertragsärztlichen Versorgung aus. Dies ist ein Plus von 9,9% gegenüber dem Vorjahr (ohne ermächtigte Krankenhausärztinnen und Krankenhausärzte, Privatärztinnen und Privatärzte und in der Weiterbildung befindliche Ärztinnen und Ärzte). Korrespondierend zu dieser Entwicklung sank die Zahl der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte um rund 1.200 im Vergleich zum Vorjahr auf 107.295.
Damit ist mittlerweile fast jede bzw. jeder vierte an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärztin oder Arzt angestellt tätig. Setzt sich die Entwicklung weiter fort, wird es in absehbarer Zeit jede bzw. jeder dritte sein.
Angesichts dieses strukturellen Wandels bedarf es aus Sicht des Marburger Bundes einer besonderen Wahrung der Belange der im ambulanten Bereich angestellten Ärztinnen und Ärzte durch eine berufspolitisch und in der Gestaltung von Arbeitsbedingungen erfahrene Interessenvertretung. Das derzeit noch nicht auf kooperative Strukturen zugeschnittene und in seinen Gremien traditionell mit niedergelassenen Ärzten besetzte System der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) wird der Interessenlage der zunehmenden Zahl Angestellter und damit auch Teilzeitbeschäftigter nicht gerecht.
Ziele
Vor diesem Hintergrund wird sich der Marburger Bund für folgende Ziele zur Vertretung der Interessen der angestellten Ärztinnen und Ärzte im ambulanten Sektor einsetzen:
1. Vernetzung
Der Marburger Bund ist bereits seit seiner Gründung die klassische Interessenvertretung angestellter Ärzte. Er engagiert sich seit einigen Jahren verstärkt für die ambulant Tätigen.
Zu den besonderen Angeboten des Marburger Bundes für diese Gruppe gehörten eine Kampagne mit umfangreichen Informationen zu allem Wissenswerten rund um das KV-System und insbesondere zu den Wahlen zu den Vertreterversammlungen, ein regelmäßiger Newsletter über aktuelle Entwicklungen, die Website www.mb-ambulant.de sowie ein eigenes Networking Event in Berlin im Februar 2016 für ambulant angestellte Ärztinnen und Ärzte aus dem ganzen Bundesgebiet mit Vorträgen zu speziell auf die Teilnehmer zugeschnittenen Themen. Auf Bundesebene bietet der Arbeitskreis Ambulante Medizin des Marburger Bundes die Möglichkeit zum Austausch und zur Formulierung berufspolitischer Ziele der in ambulanten Einrichtungen angestellten Ärztinnen und Ärzte.
Die Resonanz auf diese Angebote wie auch eine Umfrage der Marburger Bund Zeitung aus dem Jahr 2014 haben gezeigt, dass ein großes Interesse der ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte sowohl an einer Vernetzung untereinander als auch an einer grundsätzlichen Unterstützung und Vertretung durch den Marburger Bund besteht.
Der Marburger Bund wird für seine Mitglieder daher auch künftig Plattformen zur Vernetzung sowie Informationsangebote bereitstellen.
2. Bessere Repräsentanz angestellter Ärztinnen und Ärzte in den Gremien der Kassenärztlichen Vereinigungen und Kassenärztlichen Bundesvereinigung
Auch auf berufspolitischer Ebene ist der Marburger Bund bereits erfolgreich aktiv gewesen. In einigen KV-Bezirken wurden bei den Wahlen 2016 angestellte Ärztinnen und Ärzte über den Marburger Bund in die Vertreterversammlung gewählt und Mitglieder in Fachausschüssen.
Gemeinsam mit dem Bundesverband Medizinische Versorgungszentren und dem Hausärzteverband hat sich der Marburger Bund dafür eingesetzt, dass bundeseinheitlich teilzeitbeschäftigte Ärztinnen und Ärzte ab einem Anstellungsumfang von 10 Wochenstunden Mitglied ihrer Kassenärztlichen Vereinigung sind und das Wahlrecht erhalten. Der Forderung hat der Gesetzgeber im GKV-SVSG durch die Änderung von §77 Abs.3 SGB V entsprochen.
Über diese ersten Erfolge hinaus ist es für angestellte Ärztinnen und Ärzte wichtig, sich verstärkt innerhalb des KV-Systems zu engagieren. Eine Einflussnahme auf die Gestaltung der ureigensten Aufgaben der Selbstverwaltung, insbesondere die Honorarverteilung und die Vergütung der Leistungen angestellter Ärzte, aber auch viele andere Themen wie etwa den Umgang mit Teilzeittätigkeiten oder Weiterbildungsfragen, ist nur über eigenes Engagement in den Gremien der Kassenärztlichen Vereinigungen möglich. Dies sind in erster Linie die Vertreterversammlungen, aber auch die auf Bundes- und Landesebene einzurichtenden „beratenden Fachausschüsse für angestellte Ärztinnen und Ärzte“ nach §79c S. 1 Nr.3 SGB V sowie weitere Ausschüsse.
Bei der Wahrnehmung dieses Engagements wird der Marburger Bund seine Mitglieder weiterhin unterstützen.
3. Gesetzlich vorgeschriebener Wahlkörper in den Vertreterversammlungen der Kassenärztlichen Vereinigungen
Um der stetig steigenden Zahl angestellter Ärztinnen und Ärzte Rechnung zu tragen und für deren repräsentative Vertretung im KV-System zu sorgen (Beschluss Nr.20 der 128. Hauptversammlung), hat der Marburger Bund in einem gemeinsamen Schreiben mit dem Verband Leitender Krankenhausärzte an das Bundesministerium für Gesundheit dafür plädiert, einen festen anteiligen Wahlkörper für angestellte Ärztinnen und Ärzte in den Vertreterversammlungen vorzuschreiben.
Der Vorschlag wurde vom Bundesministerium für Gesundheit unter Hinweis auf die Notwendigkeit einer „grundlegenden Diskussion über die Strukturen in der ärztlichen Selbstverwaltung“ zunächst zurückgestellt. Diese Diskussion muss aus Sicht des Marburger Bundes in der nächsten Legislaturperiode geführt werden. Die mittlerweile vorgeschriebene Einrichtung von beratenden Fachausschüssen für angestellte Ärztinnen und Ärzte ist ein erster Schritt, aber nicht ausreichend.
4. Beseitigung rechtlicher Nachteile gegenüber Vertragsärztinnen und Vertragsärzten
Der Marburger Bund hat sich ebenso wie der Bundesverband Medizinische Versorgungszentren schon in dieser Legislaturperiode für die rechtliche Gleichstellung von selbstständigen und angestellten Ärztinnen und Ärzten eingesetzt.
Erfolgreich war dieses Bemühen beispielsweise bei einzelnen Regelungen des Versorgungsstärkungsgesetzes, die für eine Angleichung von Arbeits-und Zulassungsrecht, z.B. hinsichtlich der zulässigen Vertretungsmöglichkeiten, sorgen, oder bei der Angleichung der Zeitprofile für angestellte Ärzte in den Plausibilitätsprüfungen der Kassenärztlichen Vereinigungen.
Auch künftig wird der Marburger Bund für den Abbau und gegen den Aufbau rechtlicher Unterschiede zu Lasten angestellter Ärztinnen und Ärzte in der ambulanten Versorgung eintreten.
5. Verbesserung der Arbeitsbedingungen angestellter Ärztinnen und Ärzte im ambulanten Sektor durch arbeitsrechtlichen Service und Tarifverträge als Mindeststandard
Neben seinem berufspolitischen Engagement befasst sich der Marburger Bund verstärkt mit den Arbeitsbedingungen der Ärztinnen und Ärzte im ambulanten Sektor. Tarifverträge gibt es mangels einer Arbeitgeberorganisation bisher nicht (vgl. 116. Deutscher Ärztetag – Beschluss IV – 38neu). Daraus resultieren individuelle Vertragsverhandlungen und eine sehr heterogene Situation bei den Vergütungs- und übrigen Arbeitsbedingungen der ambulant tätigen Angestellten.
Vor diesem Hintergrund wurde die arbeitsrechtliche Beratung des Marburger Bundes, insbesondere im Bereich der Vertragsprüfung, intensiviert. Dabei bringen die beratenden Juristen der Landesverbände nicht nur eine genaue Kenntnis der Gegebenheiten vor Ort mit, sondern sind auch ausgewiesene Spezialisten für arbeitsrechtliche Besonderheiten bei der Beschäftigung von Ärztinnen und Ärzten in sämtlichen Einrichtungen des Gesundheitswesens.
Neben der individuellen Beratung hält der Marburger Bund Musteranstellungsverträge für angestellte Fachärztinnen und Fachärzte, die allgemein in der ambulanten Versorgung und speziell in Medizinischen Versorgungszentren tätig sind, sowie einen Standardanstellungsvertrag für sich weiterbildende Ärztinnen und Ärzte vor. Ein besonderes Serviceangebot ist die Broschüre „Arbeitsplatz MVZ – Ein Leitfaden für angestellte Ärztinnen und Ärzte in MVZ“.
Die Musteranstellungsverträge sowie der Standardanstellungsvertrag sichern so lange den Mindeststandard für die Arbeitsbedingungen angestellter Ärztinnen und Ärzte im ambulanten Bereich, bis sie durch arztspezifische Tarifverträge des Marburger Bundes ersetzt werden können.