Die Zahl der angestellten Ärztinnen und Ärzte in Einzelpraxen, MVZ und Berufsausübungsgemeinschaften steigt stetig. Unter Leitung von Bundesvorstandsmitglied Dr. Frank J. Reuther hat der Marburger Bund ein Positions­papier zur Situation angestellter Ärztinnen und Ärzte im ambulanten Bereich entwickelt. Jörg Ziegler, stellvertretender Chefredakteur der MBZ, hat ihn dazu befragt.

Herr Dr. Reuther, wie ist es zum MB-Positionspapier gekommen?

Dr. Frank J. Reuther: Als Verband der angestellten und verbeamteten Ärztinnen und Ärzte sind die Kolleginnen und Kollegen in ambulanter Anstellung für den Marburger Bund schon immer ein Thema. Nach seiner Wahl im November 2016 hat der Bundesvorstand das Thema als dringlich zu bearbeiten eingestuft. Auf Bundesebene befasst sich der Arbeitskreis „Ambulante Medizin“ damit, den ich nach der Wahl des neuen Vorstands im vergangenen Jahr übernommen habe. Daher bin ich damit betraut worden, vorab ein Positionspapier zu erarbeiten, noch bevor der Arbeitskreis sich konstituiert.

Gemeinsam mit Mitgliedern aus dem Arbeitskreis und Frau Gehrlein (Justiziarin im MB-Bundesverband und mit der Geschäftsführung des Arbeitskreises betraut; Anm. d. Red.) haben wir sozusagen als Task Force dann das bisher Geleistete und die Vorstellungen für die Zukunft zusammengefasst.

Welches Ansinnen verfolgt der Marburger Bund damit?

Reuther: Wenn man sieht, dass sich die Zahl der ambulant angestellten Ärztinnen und Ärzte seit 1993 auf über 30.000 versechsfacht hat, dann wird schon deutlich, warum der Marburger Bund sein Engagement in diesem Bereich erweitern muss. Da viele Ärztinnen und Ärzte aus dieser Gruppe als Einzelkämpfer in den Praxen unterwegs sind, gilt es nun, sie zu vernetzen und zusammenzuschließen. Der Marburger Bund muss und wird die Basis schaffen, dass sie sich vernetzen und organisieren können.

Aus welchem Grund sind ambulant angestellte Ärztinnen und Ärzte unzureichend in der Kassenärztliche Bundesvereinigung beziehungsweise Kassenärztlichen Vereinigungen repräsentiert?

Reuther: Mandatsträger waren dort aufgrund der früheren Strukturen ganz selbstverständlich selbstständig tätige Ärzte. Nun gibt es mittlerweile immer mehr angestellte Ärztinnen und Ärzte in Praxen und MVZ, die aber in den Kassenärztlichen Vereinigungen und der KBV strukturell noch unterrepräsentiert sind.

Einige Niedergelassene sind zudem der Meinung: Die richtige Vertretung der ambulant Angestellten sind wir. Von diesem Gedanken muss man sie abbringen und ihnen klar machen, dass die Angestellten selbst ureigene Interessen haben und deshalb in den Gremien vorkommen müssen. Aber die dafür notwendigen Strukturen sind in den Kassenärztlichen Vereinigungen in keiner Weise geschaffen.

Welches Ziel wird nach Ihrem Dafürhalten am schwersten zu realisieren sein und warum?

Reuther: Neben den Arbeitsbedingungen ist das Geld der Nerv aller Dinge. Es gibt Angestellte, die gute Verträge bekommen, anderen ist das nicht vergönnt. Insofern ist es das Ziel des Marburger Bundes, einen Tarifvertrag abzuschließen.

Nun wirft dies aber eine große Schwierigkeit auf, weil Tarifverträge zwischen Tarifvertragsparteien geschlossen werden. Für die Angestellten steht der Marburger Bund als Gewerkschaft zwar zur Verfügung, aber auf der Gegenseite befinden sich viele Einzelarbeitgeber, die man nicht so leicht dazu bewegen wird, eine Arbeitgebergemeinschaft zu gründen. Das wird schwer werden, weil der Arbeitgeber sich formaljuristisch als sehr uneinheitlich darstellt. Aber es ist nicht unmöglich. Ideen, wie dieses gelingen kann, wurden in den tarifpolitischen Gremien bereits erarbeitet.

Wie wird jetzt weiter verfahren?

Reuther: Das Positionspapier ist durch den Bundesvorstand bereits bestätigt worden. Der zuständige Arbeitskreis hat es in seiner konstituierenden Sitzung nochmals eingängig durchgesprochen (siehe dazu den Artikel links; Anm. d. Red.) – in Teilen sogar kritisch.
Nun werden wir schrittweise die einzelnen Punkte über Kristina Zimmermann, die im beratenden Fachausschuss für angestellte Ärzte und Psychotherapeuten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sitzt, einbringen (Dr. Zimmermann ist Mitglied der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg und gehört dem MB-Arbeitskreis „Ambulante Medizin“ an; Anm. d. Red.).

Ein gutes Stück vorangekommen sind wir bei der Frage, wie ein Tarifvertrag für ambulant angestellte Ärztinnen und Ärzte aussehen könnte – die Kleine Tarifkommission auf Bundesebene hat uns diesen Auftrag erteilt. Im Arbeitskreis haben wir uns geeinigt, uns nicht in Einzeldetails zu verstricken, sondern dass der Tarifvertrag mit der VKA die Leitwährung sein soll und übertragen wird.

Welches Problem sieht der Arbeitskreis mit dem vorgeschriebenen Wahlkörper in den Vertreterversammlungen der Kassenärztlichen Vereinigungen, wie ihn der MB fordert?

Reuther: Es stand eben die Frage im Raum, ob die ambulant Angestellten die Wahlkörper als eine Art Schutzfunktion benötigen oder ohne diesen auch entsprechende Repräsentanz in den Vertreterversammlungen erlangen.

Welcher Zeithorizont schwebt Ihnen für die Umsetzung der definierten Ziele vor?

Reuther: Ich denke, es wird eine Aufgabe für die nächsten Jahre mit sehr viel Sisyphus-Arbeit sein.

Herr Dr. Reuther, vielen Dank für das Gespräch.

ziegler@marburger-bund.de