Großes Plus: Keine Wochenend- und Nachtdienste!

Arbeitssituation im ambulanten Bereich – Fragen an angestellte Ärztinnen und Ärzte

Von Stefanie Gehrlein

Schon 2014, also zwei Jahre vor den Wahlen zu den KV-Vertreterversammlungen, wollte der Marburger Bund von seinen im ambulanten Sektor tätigen Mitgliedern wissen: Wie sind Ihre Arbeitsbedingungen? Würden Sie Ihre Tätigkeit einer Kollegin oder einem Kollegen empfehlen? Was wünschen Sie sich vom MB?

Ende 2018 haben wir, auch auf Wunsch des MB-Arbeitskreises Ambulante Medizin, die Umfrage wiederholt und viele Antworten erhalten, die sich teilweise mit denen vor vier Jahren decken, aber auch neue Aspekte aufzeigen und deutlich machen, dass sich die ambulante Landschaft für Angestellte weiter verändert hat.

An der Umfrage beteiligt haben sich 230 Ärztinnen und Ärzte, dies entspricht in etwa der Resonanz in 2014.

Arbeitsstrukturen im Fokus

Der Großteil der angestellten Ärztinnen und Ärzte arbeitet in kooperativen Strukturen, also Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und anderen Berufsausübungsgemeinschaften (BAG), nur rund 50 Teilnehmer sind in einer Einzelpraxis angestellt oder bei einer sonstigen Einrichtung, wie ambulanten Rehakliniken, Psychiatrischen Institutsambulanzen, Hochschulambulanzen, SAPV-Verbänden oder Gesundheitsämtern tätig.

Sehr flexible Arbeitszeiten

137 Personen und damit die Mehrzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gibt an, Teilzeit zu arbeiten.

Insgesamt ist die jeweilige Wochenarbeitszeit sehr unterschiedlich. Sie reicht von einer 6-Stunden-Woche bis zu einer Vollarbeitszeit von 42 Stunden. Die Verteilung dieser Stunden auf die einzelnen Tage ist ebenfalls heterogen und folgt verschiedenen Arbeitszeitmodellen. Am häufigsten ist eine 3- bis 4-Tage-Woche.

Hiermit korrespondiert das Ergebnis der Umfrage, dass 178 Ärztinnen und Ärzte, also mehr als 3/4 der Teilnehmer, ihr persönliches Arbeitszeitmodell als flexibel und familienfreundlich empfinden.

Überstunden werden auch im ambulanten Sektor geleistet. 149 der Umfrageteilnehmer geben dies an. Der Umfang der Überstunden beträgt meist +/- 10 Stunden pro Woche. Diese Überstunden bzw. Mehrarbeit werden teilweise vergütet, teilweise aber auch in Freizeit ausgeglichen.

Thema Vergütung

Die Verdienstspanne ist weit gefächert. 30 Teilnehmer haben einen Bruttostundenlohn von 20–30 Euro, 75 Teilnehmer von 31–40 Euro, 71 Teilnehmer von 41–50 Euro und da­rüber liegen immerhin 55 Personen. Dabei ist zu beachten, dass sich an der Umfrage auch Ärztinnen und Ärzte beteiligt haben, die sich in Weiterbildung befinden.

Beratung zum Arbeitsvertrag

84 der Umfrageteilnehmer hatten ihren Arbeitsvertrag prüfen lassen.

Die rechtliche Beratung erfolgte in zwei Fällen durch die Ärztekammer, in 18 Fällen durch einen Rechtsanwalt und in 65 Fällen durch den zuständigen Landesverband des MB. Fast alle (72) der Rechtssuchenden waren mit der Prüfung zufrieden, neun hatten einige Beanstandungen – wie z.B. die hohen Anwaltsgebühren (die bei einer Prüfung durch den MB entfallen) – und nur zwei Ärzte fühlten sich nicht gut beraten.

Arbeiten über Sektorengrenzen

Mit 189 Antwortenden arbeitet die Mehrheit ausschließlich im ambulanten Bereich. 41 der Umfrageteilnehmer sind parallel auch im stationären Bereich tätig, davon einige in einem Umfang von der halben Wochenarbeitszeit oder mehr, andere nur in einem geringeren Stundenumfang, an Wochenenden, konsiliarisch, als Honorarärzte oder Gutachter.

Das Problem Weiterbildung

An der Umfrage haben sich 35 Ärztinnen und Ärzte beteiligt, die in der Weiterbildung sind. 23 von ihnen arbeiten im ambulanten Bereich, weil dies Pflichtbestandteil ihres Fachgebietes, zumeist der Allgemeinmedizin ist. Andere haben sich dazu entschieden, weil ihnen die Tätigkeit mehr entgegenkommt als die in der Klinik.

In allen Fällen wird das Gehalt durch ein Förderprogramm der Kassenärztlichen Vereinigung mit 4.800 Euro pro Vollzeitstelle bezuschusst, bei einer halben Stelle entsprechend mit 2.400 Euro.

Gründe für Anstellungsverhältnis

Bei manchen Umfrageteilnehmern stellt sich die Frage gar nicht, da sie Fachärzte für Allgemeinmedizin sind oder noch werden wollen.

Bei allen anderen, die diese Entscheidung bewusst getroffen haben, gibt es eine Vielzahl von Gründen. Ganz vorne steht der Vorteil, keine Dienste mehr leisten zu müssen und insbesondere freie Wochenenden und Nächte zu haben. Damit korrespondiert der Wunsch, den Beruf mit Familie, Privatleben insgesamt und der eigenen Gesundheit vereinbaren zu können. Man möchte geregelte Arbeitszeiten, die auch eine Teilzeittätigkeit zulassen und möglichst flexibel einteilbar sind.

Besonders schätzen viele ambulant Tätige die flachen Hierarchien ohne Fremdbestimmung, insbesondere die medizinische Unabhängigkeit von „Chefarzt-Entscheidungen“. Sie sind teilweise wegen der hierarchischen und schwerfälligen Strukturen in den Kliniken und dem dortigen Personalmangel in den ambulanten Sektor gegangen. Geschätzt werden die abwechslungsreiche Arbeit, das kollegiale Klima und die kurzen Entscheidungswege.

Einige der Ärztinnen und Ärzte möchten zunächst angestellt arbeiten, um vor der beabsichtigten Niederlassung den ambulanten Sektor kennenzulernen, andere wollen dort angestellt bleiben, weil sie zu wenig Eigenkapital haben oder das wirtschaftliche Risiko einer Niederlassung nicht eingehen, aber trotzdem nicht ins Krankenhaus zurückkehren möchten.

Wieder andere empfinden eine Arbeitgeberteilung – ambulant und stationär – als vorteilhaft, um unabhängiger agieren zu können.

Engagement in KV-Gremien

Von allen Teilnehmern an der Umfrage geben nur vier an, Mitglied eines KV-Gremiums zu sein. In allen vier Fällen ist die bzw. der Antwortende Mitglied des beratenden Fachausschusses für angestellte Ärzte und Psychotherapeuten, in einem Fall auch der KV-Vertreterversammlung.

Die übrigen angestellten Ärztinnen und Ärzte, die in der vertragsärztlichen Versorgung tätig sind, haben unterschiedliche Motivationen dafür, sich nicht in der KV zu engagieren. Die am häufigsten genannten Gründe sind Zeitmangel, bzw. der Vorrang von Familie und Privatleben vor berufspolitischem Einsatz, und fehlendes Interesse. Teilweise wird angegeben, dass die Zufriedenheit mit der Arbeit so groß sei, dass man keinen Anlass für ein Engagement in der KV zur Verbesserung der Bedingungen sehe.

Einige, die sich noch in Weiterbildung befinden, wollen zunächst einen Einblick in den ambulanten Bereich gewinnen und sich vielleicht später engagieren, falls sie sich endgültig für eine Tätigkeit in der vertragsärztlichen Versorgung entscheiden.

Ein Teil der Teilnehmer hält eine Mitgliedschaft in einem Gremium der KV für schwer zu erreichen, da die Strukturen dieser Körperschaften und ihre Besetzung bis dato nur auf selbstständige Niedergelassene – genannt wurde das Stichwort „Klüngel“ – zugeschnitten sei und die Interessen angestellter Ärztinnen und Ärzte so gut wie nicht berücksichtigt würden. Ein Teilnehmer gibt an, „keine Lust auf die Grabenkämpfe und sinnlose Zeitverschwendung“ in den KV-Gremien zu haben, daneben wird die Schwierigkeit genannt, als Angestellter überhaupt in diese Gremien zu gelangen. Wieder andere engagieren sich, wohl auch aus den bisher genannten Gründen, lieber an anderer Stelle politisch oder sozial, haben über diese Frage überhaupt noch nie nachgedacht und/oder regeln ihre Probleme direkt mit dem Arbeitgeber. Und eine kleine Minderheit möchte sich gerne engagieren und Infos darüber, wie dies am besten möglich ist.

Weitere Ergebnisse der Umfrage folgen demnächst auf dieser Internetseite.

Zur Autorin

Stefanie Gehrlein ist Justiziarin bim MB-Bundesverband.

Veröffentlicht auf dieser Seite am 31. Januar 2019