Gleichbehandlung von angestellten und niedergelassenen Ärzten

Plausibilitäts- und Wirtschaftlichkeitsprüfungen im Visier

Von RAin Stefanie Gehrlein

Parallel zu den Trends in der Statistik werden die angestellten Ärztinnen und Ärzte in der ambulanten Versorgung in der Rechtsprechung aufgewertet. Der für Vertragsarztrecht zuständige Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat in aktuellen Urteilen deutlich gemacht, dass auch im Bereich der Plausibilitäts- und Wirtschaftlichkeitsprüfungen gilt: Es gibt bei der Beurteilung keinen Unterschied zwischen niedergelassen selbstständigen und angestellten Ärzten.

In drei aktuell jetzt im Mai entschiedenen Revisionsverfahren zur Wirtschaftlichkeitsprüfung waren zwischen der klagenden Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) und dem beklagten Beschwerdeausschuss Honorarkürzungen in Millionenhöhe aufgrund von Wirtschaftlichkeitsprüfungen streitig.

Die BAG hatte moniert, dass in den statistischen Kostenvergleich auch Zahlen aus Praxen mit angestellten Ärzten eingeflossen seien, obwohl diese wesentlich weniger arbeiten würden.
Diesem angeblichen Erfahrungssatz folgte das BSG nicht und entschied, dass der Beschwerdeausschuss bei der Durchführung des statistischen Kostenvergleichs nicht zwischen Vertrags(zahn)ärzten und angestellten Ärzten differenzieren müsse. Sowohl bei Plausibilitätsprüfungen als auch im Rahmen der Anwendung der früheren Vorschriften über die Degression würden Vertrags(zahn)ärzte und angestellte (Zahn-)Ärzte gleich behandelt. Dies könne im Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht anders sein, ist dem Terminbericht des BSG zu entnehmen (13.5.2020 zu Az. B 6 KA 2, 3, 25/19 R). Das Gericht betonte, die gleiche Wertung angestellter und niedergelassener Ärzte beziehungsweise Zahnärzte entspreche den gesetzlichen Vorgaben und dem Willen des Gesetzgebers.

Der Senat für Vertragsarztrecht des BSG hatte bereits vergangenen Herbst zugunsten eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) entsprechend für Plausibilitätsprüfungen entschieden (BSG v. 30.10.2019 – Az. B 6 KA 9/18 R).

Geklagt hatte ein MVZ in Oberbayern mit einer Zulassung im Umfang dreier Vertragsarztsitze. Nach einer Plausibilitätsprüfung forderte die KV Bayern für die Quartale 4/2007 bis 2/2008 Honorare in Höhe von 262.000 Euro mit der Begründung zurück, die angestellten Ärzte hätten ihren genehmigten Tätigkeitsumfang überschritten.

Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen sind gemäß §106a SGB V gesetzlich verpflichtet, die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung zu prüfen. Dabei ist es die Aufgabe der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung (KV), die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen zu überprüfen, um – absichtliche oder unabsichtliche – Fehler nach bestimmten Kriterien aufzuspüren. Gegenstand der Plausibilitätsprüfung ist insbesondere der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand des Arztes. Dabei gilt das Gebot, dass Vertragsärzte und angestellte Ärzte bezogen auf die im Tageszeitprofil und im Quartalszeitprofil maßgebenden Stundengrenzen entsprechend des jeweiligen Versorgungsauftrages gleich zu behandeln sind.

Im vorliegenden Fall bedeutete dies, dass der auf einer halben Stelle im MVZ beschäftigte angestellte Arzt ebenso wie ein Vertragsarzt auch erst bei Überschreitung von 390 Stunden im Quartalszeitprofil auffällig wurde und nicht bereits bei 260 Stunden, wie die KV angenommen hatte. Dadurch werde laut BSG auch gewährleistet, dass die Grenze, bei deren Überschreitung ein MVZ auffällig werde, nicht davon abhänge, ob eine volle Stelle mit einem vollzeit- oder mehreren teilzeitbeschäftigten Ärzten besetzt sei.

Mit diesen Urteilen trägt das BSG zur Klarstellung bei, dass die Tätigkeit angestellter Ärztinnen und Ärzte in der vertragsärztlichen Versorgung rechtlich genauso zu bewerten ist wie die Selbstständiger. Dies hatte der MB immer gefordert. Es ist beim Blick auf den Trend zur Anstellung wichtiger denn je.

Zur Autorin
RAin Stefanie Gehrlein ist Justiziarin im MB-Bundesverband.