Versicherungsschutz als Pflicht

Kontrolle durch Zulassungsausschüsse / Sanktionen des § 95e Sozialgesetzbuch V

Der neue § 95e Sozialgesetzbuch V verpflichtet Vertragsärztinnen und -ärzte, eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung vorzuhalten. Dies gilt grundsätzlich auch für ermächtigte Krankenhausärztinnen und -ärzte.

Von RAin Stefanie Gehrlein und RA Patrick Weidinger

Ohne Haftpflichtversicherung dürfen Ärztinnen und Ärzte ihren Beruf nicht ausüben. Dies ist in zahlreichen Vorschriften verpflichtend geregelt, angefangen bei den Landesberufsordnungen (analog § 21 der Muster-Berufsordnung) über die Heilberufegesetze der Länder (zum Teil unmittelbar verpflichtend, zum Teil die Kammern ermächtigend) bis hin zur Bundesärzteordnung. § 6 der Bundesärzteordnung bestimmt, dass das Ruhen der Approbation angeordnet werden kann, wenn der Arzt nicht ausreichend gegen die sich aus seiner Berufsausübung ergebenden Haftpflichtgefahren versichert ist, sofern kraft Landesrechts oder kraft Standesrechts eine Pflicht zur Versicherung besteht.

Das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung vom 11. Juli dieses Jahres hat die ausreichende Berufshaftpflichtversicherung auch zu einer vertragsärztlichen Pflicht gemacht und mit einer generellen Überprüfung des Deckungsschutzes verbunden (§ 95e SGB V in Verbindung mit §§ 18 Abs. 2 Nr. 6, 26 und 27 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte). Damit ist nunmehr zumindest für Vertragsärztinnen und -ärzte sichergestellt, dass der Versicherungsschutz analog zu anderen Berufsgruppen wie Steuerberatern und Rechtsanwälten nicht nur vorgeschrieben, sondern auch gewährleistet ist.

Individuelles Haftungsrisiko

Der Vertragsarzt ist verpflichtet, sein individuelles Haftungsrisiko mit einer Mindestversicherungssumme von drei Millionen Euro für Personen- und Sachschäden für jeden Versicherungsfall (mindestens zweifach maximiert) zu versichern. Eine bereits bestehende Versicherung kann diese Verpflichtung erfüllen. Für Berufsausübungsgemeinschaften mit angestellten Ärztinnen und Ärzten sind die Mindestversicherungssummen erhöht: Sie betragen fünf Millionen Euro für jeden Versicherungsfall und dürfen nicht weiter als auf den dreifachen Betrag der Mindestversicherungssumme begrenzt sein.

Nachzuweisen ist das Bestehen eines ausreichenden Berufshaftpflichtversicherungsschutzes durch eine Versicherungsbescheinigung beim Antrag auf Zulassung, auf Ermächtigung und auf Anstellungsgenehmigung sowie auf Verlangen des Zulassungsausschusses. Zudem sind dem Zulassungsausschuss Veränderungen, die den Versicherungsschutz im Verhältnis zu Dritten beeinträchtigen können, unverzüglich anzuzeigen.

Die Zulassungsausschüsse haben die bei ihnen zugelassenen Vertragsärzte, ermächtigten Ärzte, medizinischen Versorgungszentren und Berufsausübungsgemeinschaften bis zum 20. Juli 2023 aufzufordern, das Bestehen eines ausreichenden Versicherungsschutzes innerhalb einer Frist von drei Monaten nachzuweisen. Verstöße müssen sie sanktionieren.

Erlangt der Zulassungsausschuss Kenntnis davon, dass kein oder kein ausreichender Berufshaftpflichtversicherungsschutz besteht oder dass dieser endet, fordert er den Vertragsarzt zur Vorlage einer Versicherungsbescheinigung auf. Kommt er dieser Aufforderung nicht unverzüglich nach, hat der Zulassungsausschuss das Ruhen der Zulassung zu beschließen und den Verstoß der zuständigen Kammer zu melden.

All dies gilt auch für ermächtigte Ärzte, soweit für deren Tätigkeit im Rahmen der Ermächtigung kein anderweitiger Versicherungsschutz besteht; die zum Ruhen der Zulassung analoge Sanktion ist der Widerruf der Ermächtigung.

Drei Millionen Euro nicht angemessen

Nach den verpflichtenden Rechtsvorschriften des ärztlichen Berufsrechts muss eine Berufshaftpflichtversicherung sowohl qualitativ (entsprechend der Funktion/Tätigkeit) als auch quantitativ (Höhe der Versicherungssumme) „hinreichend“ beziehungsweise „ausreichend“ sein.

Insoweit ist die Mindestversicherungssumme des § 95e SGB V von drei Millionen Euro nicht angemessen. Die in allen Fachgebieten vorkommenden Schwerstschäden (zum Beispiel Hypoxie durch anaphylaktischen Schock) zeigen, dass eine Deckungssumme von fünf Millionen Euro nicht unterschritten werden sollte. Wohl auch deshalb hat der Gesetzgeber vorgesehen, dass bis zum 20. Januar 2022 durch definierte Gremien (Spitzenverband Bund der Krankenkassen, Bundesärztekammer, Bundeszahnärztekammer, Bundespsychotherapeutenkammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung) eine höhere Mindestversicherungssumme vereinbart werden kann.

Seit Inkrafttreten des Gesetzes am 20. Juli 2021 ist bei jeder Stellung eines Antrags auf Zulassung, Ermächtigung und Anstellungsgenehmigung der Nachweis des ausreichenden Versicherungsschutzes gegenüber dem zuständigen Zulassungsausschuss durch Beifügung einer Versicherungsbescheinigung nach § 113 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz zu erbringen. Dies betrifft übrigens auch Anträge auf Anstellungsnachbesetzungen beispielsweise in MVZ, aber auch bei Vertragsärzten. Ergo: Erst mit der Versicherungsbescheinigung liegt ein vollständiger Antrag vor.

Diese Regelung in Kombination mit der Tatsache, dass eine flächendeckende Kontrolle auf ausreichenden Versicherungsschutz durch die Zulassungsausschüsse nach dem Gesetz erst bis Juli 2023 erfolgen muss, führt dazu, dass bisher zumeist nur diejenigen von der neuen Pflichtversicherung wissen, die ein Zulassungsverfahren anstreben oder bereits durchlaufen haben. Der Sommer 23 ist allerdings nur ein Enddatum, bis zu dem die Zulassungsausschüsse ihrer Prüfpflicht spätestens nachgekommen sein müssen.

Daher lohnt es für Betroffene, sich bereits jetzt mit der neuen Situation zu beschäftigen und bestehende, insbesondere ältere Verträge auf Konformität mit dem neuen § 95e SGB V überprüfen zu lassen. Nach guter Beratung abgeschlossene Verträge neueren Datums werden die neuen Mindestbedingungen in aller Regel erfüllen.

Wichtig zu wissen ist außerdem, dass bis dato kaum ein Versicherer in der Lage war, die für das Antragsverfahren unbedingt notwendige Versicherungsbescheinigung kurzfristig auszustellen. Es bestehen derzeit nicht nur unterschiedliche Auffassungen der Zulassungsausschüsse, welche Anforderungen die Bescheinigung zu erfüllen hat, sondern auch die Versicherungswirtschaft ist noch in der Findungsphase. Bis diese praktischen Schwierigkeiten gelöst sind und die vom Gesetzgeber eigentlich gewünschte Vereinheitlichung des Versicherungsschutzes auf Bundesebene hergestellt ist, wird wohl noch etwas Zeit vergehen.

Bei Angestellten Pflicht des Arbeitgebers

All diejenigen, die nicht selbst an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, weil sie „nur“ in einer Praxis, einem MVZ oder einer Berufsausübungsgemeinschaften angestellt sind, trifft diese vertragsärztliche Pflicht nicht unmittelbar, denn ihr Arbeitgeber muss den ausreichenden Haftpflichtversicherungsschutz im Zulassungsverfahren nachweisen.

Zu den Autoren

RAin Stefanie Gehrlein ist Justiziarin des Marburger Bund Bundesverbandes, RA Patrick Weidinger ist für die Deutsche Ärzteversicherung tätig.