Großes Kompliment!
Von Rudolf Henke, 1. Vorsitzender des Marburger Bundes
Das ist eine der kreativsten Ideen in der Tarifpolitik für Ärztinnen und Ärzte seit Jahren. Der Hausärzteverband Rheinland-Pfalz hat einen ArbeitgeberVerband Hausärzte gegründet, und der Marburger Bund Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz steht für Tarifverhandlungen zur Verfügung. Es wird noch eine Weile brauchen, bis es tatsächlich zu einem ersten Tarifvertrag zwischen diesen Partnern kommt, aber die Absicht und die Zielrichtung sind klar. Vor wenigen Tagen haben die beiden Landesverbände eine Erklärung unterzeichnet, dass sie Tarifverhandlungen aufnehmen werden. Unser Landesverbandsvorsitzender Dr. Hans Gehle ist dafür extra nach Mainz gereist. Wie der Gründungsvorsitzende des neuen Arbeitgeberverbandes, Sanitätsrat Dr. Hans-Dieter Grüninger bei der Unterzeichnung angekündigt hat, soll es bereits im Herbst die ersten Verhandlungen mit dem Marburger Bund geben. Bis dahin wirbt der neue Arbeitgeberverband unter den niedergelassenen ärztlichen Kollegen um Beitritte. Dabei wäre der Verband auch für Fachärzte oder Kollegen aus anderen Bundesländern offen.
Die Bekanntgabe der neuen Kooperation hat in Berlin für erhebliche Aufmerksamkeit gesorgt und sofort zu Nachfragen aus dem Kreis niedergelassener Kolleginnen und Kollegen (und Aufmerksamkeit bei Krankenhaus-Arbeitgebern) geführt. Bislang hatte die Kassenärztliche Bundesvereinigung immer darauf verwiesen, dass sie als Körperschaft öffentlichen Rechts mit ihrer Pflichtmitgliedschaft nicht in der Lage sei, in Tarifverhandlungen mit dem Marburger Bund einzutreten. Das gleiche galt in den Bundesländern auch für die dortigen Kassenärztlichen Vereinigungen. Andere Verbände mit freiwilliger Mitgliedschaft verwiesen darauf, dass sie zu ihrer Mitgliedschaft auch manche angestellten Ärztinnen und Ärzte zähle, auf die man nicht verzichten wolle. Deshalb könne man nicht mit einer gegnerfreien Mitgliedschaftsstruktur dienen, die man für Tarifverhandlungen nutzen könne. Deshalb könne man zum größten Bedauern keinen Tarifvertrag ermöglichen. Alle diese Hindernisse hat der Hausärzteverband nun mit der Gründung eines Arbeitgeberverbandes überwunden.
Zu den Vätern der Vereinbarung der beiden Landesverbände gehört unser Mitglied Dr. Karlheinz Kurfeß, der für den Marburger Bund die Vereinbarung mit unterzeichnet hat. Er ist Oberarzt an der Hunsrück Klinik Simmern und stellvertretender Vorsitzender der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz. „Es ist unser erklärtes Ziel, die Arbeitsbedingungen für angestellte Ärztinnen und Ärzte in Praxen und MVZ mit eigenen Tarifverträgen zu verbessern, damit der Wechsel aus der Klinik nicht zu Verschlechterungen führt“, betont Dr. Karlheinz Kurfeß. „Wir wollen Ärztinnen und Ärzten einen reibungslosen Übergang von der Klinik in die Praxen und MVZ ermöglichen. Fairness ist gerade in einer Zeit des Hausärztemangels unverzichtbar. Wir meinen ferner auch, dass die Tarifverträge bei der Refinanzierung durch die Krankenkassen in Zukunft eine große Rolle spielen werden.“
Über die bundesweit einmalige Vereinbarung freut er sich: „Wir unterschreiben heute eine gemeinsame Erklärung unserer beider Interessen.“ Und fügt hinzu: „Uns allen ist klar, dass die besonderen Belange der Vertragsärzte sensibel in den neuen Tarifvertrag eingearbeitet werden müssen.“
Als Bundesvorsitzender des Marburger Bundes kann ich den Beteiligten nur Erfolg bei diesem Unterfangen wünschen. Unsere bisherigen Tarifpartner tun gut daran, sich in den kommenden Kontakten mit dem Marburger Bund darauf einzustellen, dass es in Zukunft nicht mehr ausreichen wird, Kolleginnen und Kollegen, die sich einen Wechsel in die ambulante Versorgung durch den Kopf gehen lassen, mit den dortigen bislang tariflosen Zuständen zu erschrecken. Der Hinweis stimmt, dass die Gehälter im ambulanten Bereich nicht ganz selten unter dem Klinik-Standard liegen und die in den Tarifverträgen üblichen automatischen Dynamisierungen der Gehälter vergessen werden. Es stimmt auch, dass oft genug konkrete Vereinbarungen zu Überstunden, Arbeitszeiten, Fortbildungsurlaub, betrieblicher Altersversorgung oder zum Krankengeldzuschuss fehlen. Auch eine Überschreitung der Höchstgrenzen des Arbeitszeitgesetzes ist nur durch die „Opt-out“-Reglung eines Tarifvertrages möglich.
Darauf werden sich Krankenhäuser und Rehabilitationskliniken in Zukunft nicht mehr so einfach verlassen können. Für die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen bringen die angestellte Ärztin oder der angestellte Arzt in der Praxis je nach Ausgangslage eine mögliche Perpektive für eine spätere Praxisübernahme. Ich kann den kommunalen Arbeitgebern in den aktuellen Auseinandersetzungen um den Ärzte-Tarif mit der VKA nur raten, sich dieser Entwicklung bewusst zu sein. Das Krankenhaus und auch der öffentliche Gesundheitsdienst sind nicht die einzigen möglichen Arbeitsplätze für junge Ärztinnen und Ärzte. Vielleicht denken die Arbeitgeber in der VKA auch darüber noch einmal nach.